Wie können ländliche Kommunen wieder attraktiver werden?

Wie können ländliche Kommunen wieder attraktiver werden?
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Der viele Jahre lang andauernde Drang in die deutschen (Groß-) Städte hat sich in jüngster Zeit stark abgeschwächt, teilweise sogar ins Gegenteil verkehrt. Bis auf wenige Ausnahmen können wirklich ländliche Gemeinden davon jedoch nicht profitieren. Das tun vielmehr kleinere Großstädte und die suburbanen Bereiche in den „Speckgürteln“ rings um Metropolen.

Ein nach wie vor bedeutender Grund dafür ist ein vielschichtiges Image-Problem vieler Landkommunen. Ganz ohne Geld und Anstrengungen können diese zwar nicht viel tun, wohl aber gibt es bei Vorhandensein von Mitteln und Willen eine breite Basis von Optionen, mit denen sich die Attraktivität für Zuzügler deutlich steigern ließe – gerade für eine junge gutgebildete Klientel, die so wichtig für eine Verjüngung dieser Gemeinden ist.

1. Internetanbindung

Jeder Beruf, der ausschließlich am Computer stattfindet, lässt sich theoretisch und praktisch remote durchführen. Nach wie vor gibt es jedoch zu viele ländliche Gemeinden, die dies nicht einmal ansatzweise nutzen können, weil ihre Internetanbindung selbst deutlich reduzierten Bedürfnissen nicht genügt.

Oftmals herrschen hier zudem irrige Ansichten vor: Um attraktiver zu sein, müssen hier keine allerhöchsten Bandbreiten wie in einer Großstadt vorhanden sein. Für die allermeisten Büroarbeiten und Privatanwendungen genügt es, wenn pro Bewohner zirka 50 Mbit/s zur Verfügung stehen.

Weiter sollten Kommunen nicht unterschätzen, wie wichtig eine wenigstens halbwegs zeitgenössische Anbindung für die Wirtschaft ist. Kaum ein Unternehmen funktioniert noch ohne diese Form der Konnektivität.

Der offizielle Breitbandatlas beweist es: Die diesbezüglichen Lücken schließen sich allmählich. Daher dürfen viele Kommunen darauf vertrauen, allein schon deshalb attraktiver zu werden – wobei es natürlich sinnvoll wäre, mit dieser Tatsache kreativ Eigenwerbung zu betreiben.

2. Regional aufgebaute Daseinsvorsorge

Der Onlinehandel, so umfassend, wie er heute aufgestellt ist, kann fraglos viele diesbezügliche Schwächen in ländlichen Kommunen abfedern – allerdings längst nicht alles. Wenn es vor Ort keine Bäcker, Kitas, Basis-Supermärkte oder Hausärzte gibt, fehlt vielen Menschen eine elementare Basis.

Die Schwierigkeit: Ab einem gewissen Punkt können derartige Kommunen schon aus Eigenmittelmangel hieran nichts allein ändern. Typischerweise existieren solche Gemeinden jedoch nicht allein im „leeren Raum“, sondern es gibt in der Nähe noch andere Dörfer, in denen es ähnlich aussieht.

In vielen deutschen Regionen haben Landkommunen bereits gute Erfahrungen damit gemacht, sich zum Aufbau einer derartigen Daseinsvorsorge zusammenzutun. Dabei stört es nicht so sehr, wenn ein bestimmtes Element – etwa der Supermarkt – ein wenig entfernt ist. Hauptsache, es gibt überhaupt eine Anlaufstelle in erträglicher Distanz.

3. Nachhaltige Energieversorgung mit Plan

Ländliche Gemeinden haben suburbanen Regionen und erst recht der Großstadt einen Faktor weit voraus: Viele Flächen. Diese Tatsache trifft auf ein Land, in dem aktuell große Sorgen bezüglich der künftigen Energieversorgung herrschen – sowohl, was deren nachhaltige Erzeugung anbelangt als auch bezogen auf die Endverbraucherpreise.

Insbesondere beim Thema Photovoltaik böten sich vielen Landkommunen sehr umfassende Möglichkeiten, um aktiv zu werden. Sei es die Bestückung kommunaler Gebäude, sei es die Überbauung von Agrarflächen (die sogenannte Agri-Photovoltaik). Dank heutiger PV-Technik sind die Optionen sehr vielfältig und können stets mindestens drei Vorteile generieren:

1. Es werden Mittel des kommunalen Haushalts freigemacht für wichtigere Dinge als das Zahlen der Stromrechnung.

2. Die Gemeinde sendet ein starkes Signal hinsichtlich Nachhaltigkeit und führt so vielleicht manches Klischee über den dörflichen Umgang damit ad absurdum.

3. Je nach Erzeugungsgrad könnte die Kommune eine Energiegenossenschaft gründen, respektive über den Weg der Direktvermarktung selbst zum Stromanbieter werden und mitunter so den eigenen Bewohnern Vorzugspreise offerieren.

4. Aufbau von Coworking Spaces

Nicht jeder, der im Homeoffice arbeiten kann oder muss, findet sich in dieser Arbeitsform gänzlich zurecht. Manchen fehlt die soziale Komponente, andere fürchten ein Vermischen von Beruf und Freizeit. Dritten fehlt es zuhause vielleicht an Raum oder der Beruf kann aufgrund der Mitbewohner nicht konzentriert erledigt werden.

Für solche Menschen, von denen es nicht gerade wenige gibt, ist das Landleben nur dann eine Option, wenn der Arbeitgeber auf halbwegs erträglichen Pendeldistanzen zu erreichen ist. Just daran hapert es jedoch häufig. Nicht zuletzt aufgrund der recht schlechten Fernverkehrsanbindung vieler solcher Dörfer.

Eine smarte Lösung könnte darin bestehen (ebenfalls gerne im Zusammenschluss mit Nachbargemeinden) eigene Coworking Spaces zu erschaffen.

„Diese [Kommunen] erkennen Coworking Spaces immer häufiger
als wichtigen Teil der Daseinsvorsorge. Die entstehenden Räume sind
meist multifunktional nutzbar und auch für Vereine oder Gruppen mit
geringen finanziellen Mitteln zugänglich. Anstatt in Ballungsräume zu
pendeln, treffen hier Selbstständige, Angestellte, Menschen aus dem
Bildungssektor sowie Unternehmerinnen und Unternehmer aufeinander.
So entstehen vollkommen neue Kooperationen und Initiativen für die Region.“

So schreibt es das Bundesministerium für Landwirtschaft und Ernährung in einem umfassenden Strategiepapier. Vor allem, weil Coworking Spaces sich zu überschaubaren Kosten einrichten lassen, multifunktional verwendbar sind und eine vergleichsweise starke Attraktivitätsförderung ins Feld führen können, sind sie eine sehr interessante Lösung – selbst für klamme Landkommunen.

5. Aufbau einer Willkommenskultur

Immer wieder berichten Menschen, die neu aufs Land gezogen sind, davon, wie schwierig es für sie war und teilweise immer noch ist, Teil der bereits vorhandenen dörflichen Gemeinschaft zu werden. Selbst, wenn dabei nicht von echter Feindseligkeit den „Zugezogenen“ gegenüber die Rede ist, so sind dennoch gewisse Schwierigkeiten und ein eher verschlossenes bis bestenfalls ambivalentes Verhalten dennoch oft eher Regel als Ausnahme.

Natürlich können Landkommunen ihren Bewohnern nicht vorschreiben, wie diese sich gegenüber Zugezogenen im Detail zu verhalten haben. Allerdings gibt es Mittel und Wege, um auf politischer und gemeinschaftlicher Ebene eine Willkommenskultur aufzubauen:

  • Der Aufbau von Netzwerken (etwa durch Ehrenamtler) mit dem Ziel, Komitees zu bilden, die sich darüber Gedanken machen, wie Zugezogene begrüßt, unterstützt und integriert werden könnten.
  • Informationsveranstaltungen, mitunter sogar im kleinen Kreis, in denen sich beispielsweise lokale Vereine, Händler, Politiker und sonstige Anlaufstellen präsentieren können.
  • Nachbarschafts- und Dorffeste und ähnlich gelagerte Veranstaltungen. Explizit nicht nur als passives Angebot wie etwa ein klassischer Jahrmarkt gestaltet, sondern konkret „von Gemeindemitgliedern für Gemeindemitglieder“.

Kommunalregierungen sollten sich demnach nicht einfach nur damit zufriedengeben, dass X neue Personen von außerhalb zugezogen sind und diese dann sich selbst überlassen. Gerade weil Landgemeinden eine so überschaubare Einwohnerzahl haben, können „die Neuen“ wie „die Alten“ hier auf einer viel persönlicheren Ebene ab- und mitgeholt und dadurch begeistert werden.

6. Hilfe zur Selbstversorgung

Unter denjenigen, die sich für einen Wegzug auf das Land interessieren, gibt es eine steigende Zahl von Menschen, die dies unter anderem deshalb tun, weil sie glauben, dort ein insgesamt nachhaltigeres Leben führen zu können – nicht zuletzt durch eine verstärkte Eigenversorgung mit Lebensmitteln aus dem eigenen Garten. Der Trend zur Selbstversorgung ist definitiv stark und wurde durch die Inflation sicherlich nicht schwächer.

Jedoch: Sich ein ländliches Haus mit einem eigenen Garten zu kaufen, mag zwar eine wichtige Basis sein. Es ist jedoch ein völlig anderes Thema, sich hierin effektiv im Sinne einer Eigenversorgung, respektive Subsistenzwirtschaft betätigen zu können. Erst recht, wenn man kaum praktische Erfahrungen auf dem Gebiet vorzuweisen hat – bei den meisten Stadtmenschen ein üblicher Status.

Natürlich haben nicht alle ländlichen Gemeinen automatisch einen umfassenden landwirtschaftlichen Hintergrund. Ebenso lassen sich die Realitäten moderner Agrarindustrie nicht einmal auf ambitioniertes Selbstversorgergärtnern umlegen. Dennoch gibt es in den meisten Landkommunen schlicht einen deutlich höheren praktischen Erfahrungsschatz in diesem Gebiet – nicht selten gerade bei der älteren Bevölkerung.

Erneut bieten sich hier mehrere Dinge an, um attraktiver zu werden:

  • Regelmäßige Kurse rund um solche Themen wie Selbstversorgergärtnern, das Haltbarmachen von Lebensmitteln, mitunter ergänzt um regionale Küche, gesunde Ernährung und vergleichbare Themen. Solche Kurse könnten sowohl durch von der Gemeinde bestellte Profis als auch ehrenamtliche Laien durchgeführt werden.
  • Die Einrichtung eines gemeinschaftlichen „Dorf-Ackers“, wo Menschen gemeinsam gärtnern können. Beispielsweise, weil aufgrund der Umzugs- und Umbauarbeiten der eigene Garten noch nicht bereit ist oder er generell anderweitig genutzt wird.
  • Der Aufbau einer Art Werkzeuggenossenschaft. Hier könnten sich Dorfbewohner (mitunter gegen einen geringen Unkostenbeitrag) Gartenwerkzeuge ausleihen. Das würde beispielsweise nicht nur den Kostendruck stark verringern, sondern gerade Ungeübte hätten direkt eine Anlaufstelle, wo sie sich zu den sehr vielfältigen Gärtnerwerkzeugen beraten lassen können.

Keiner dieser drei Punkte würde einer ländlichen Kommune unüberschaubare Kosten auferlegen. Die Außenwirkung könnte jedoch beträchtlich sein – und auf diese Attraktivität kommt es schließlich an.

Fazit

Städte boomen längst nicht mehr so, wie es noch Anfang der 2020er der Fall war. Ländliche Kommunen können deshalb jedoch nicht durch die Bank einen verstärkten Zuzug vermelden. Doch insbesondere, weil ein grundsätzlich wiedererwachtes Interesse am ländlichen Raum besteht, ist es jetzt wichtig, nicht passiv zu warten, sondern aktiv zu handeln. Es gibt genügend Menschen, die wirklich „raus aufs Land“ möchten. Deren Wahl fällt jedoch – wie bei fast allem im Leben – auf denjenigen, der mit den besten Argumenten für sich werben kann.

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